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Ziemlich schräges viertel

Vom zukünftigen Kistlreich über das Epizentrum des Nonsens bis zum Slang-Pop-Poeten: Ein kurzer Streifzug durch die überraschend unterhaltsamen Seiten des Weinviertels.

Text + Fotografie: Rainer Friedl

Große Revolutionen fangen immer mit kleinen Symbolen an. Bundesland Kistlreich.

Was kommt heraus, wenn sich ein Kabarett-Autor, ein bildender Künstler und eine Weinviertler Musik-Gruppe zusammentun?   Das orange Kistl. Symbol einer selbstbewussten und ambitionierten Bewegung: Bundesland Kistlreich. Die Damen und Herren der gleichnamigen Künstlergruppe haben sich intensiv mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Weinviertels auseinandergesetzt. Und dabei Überraschendes zu Tage gefördert – wie etwa die Erkenntnis, dass es hier vor der Steinzeit schon eine Art Hochkultur gab: die Holzzeit. Weil man damals alles aus Holz machte, gibt’s dort heute so wenig Wald. Logisch. Endlich nachgewiesen ist auch der Ursprung des Blues. Im Weinviertel, wo sonst. Und um die berühmten sieben Weltwunder zu sehen, braucht man nicht weit zu fahren. Sie stammen schließlich auch von hier. Das alles hat die Beteiligten zur Forderung zusammengeschweißt, das Weinviertel müsse endlich aufgewertet werden. Zu einem eigenen Bundesland. Das Kistl ist das prägende Symbol. Schließlich wird hier vieles in Kistln verpackt. Die politisch Verantwortlichen in Wien und St. Pölten sind sich der Dynamik noch nicht wirklich bewusst – aber mit jedem Auftritt, den die Gruppe im Rahmen einer Bühnenshow mit
Kabarett, Folk und Blues abliefert, wird die Fan-Gemeinde größer. Und sie hat auch klare Pläne zur Eigenständigkeit. Wie etwa die Umwandlung der Weinviertler Kreisverkehre in Quadratverkehre. Kistl, quadratisch, eh klar. Oder die Verkleidung der Marchfeldschlösser durch den international renommierten Verpackungskünstler „Kisto“.

Nimm dir genug Zeit, wenn du nach Herrnbaumgarten fährst. Im Nonseum brauchst du sie.

Absurd, meinst du? Da warst du noch nicht in Herrenbaumgarten. Im Epizen­trum des Nonsens. Im Nonseum. Hier regiert der Verein zur Verwertung von Gedankenüberschüssen. 1984 fand die erste österreichische Nonsens-Erfindermesse statt, 1991 wurde der Verein gegründet, 1994 das Museum eröffnet. 2012 dann der Neu-Dazubau. In diesen Jahren ist der kleine Ort zum Mekka all jener geworden, die zum Lachen nicht in den Keller gehen. Im Museum bist du her-, aber vor allem hingerissen zwischen Wortwitz, Objektwahnsinn und Geburten schrägen Erfindergeistes. Im „verruckten Dorf“ kriegst du einen ganz anderen Blickwinkel. Und nach dem Besuch noch ein gutes Achterl. Das ist im Preis inkludiert.

Hochstapel- Kappel
Bademode für Asketen. Beides von Fritz Gall.

Marchfeld. Das ist dort, wo man am Freitag schon sieht, wer am Sonntag zum Essen kommt.

So weit, so flach. Und aus der Gegend dort kommt ein weiterer schräger Weinviertler: Jimmy Schlager. „Slang-Pop-Virtuose“, so sagt die Presse. Man kann auch sagen: genialer Beobachter und Erzähler. Ok, Sänger natürlich auch. In seinen Liedern werden die vielen Charaktere der Heimat plastisch. Im Lied „Bei uns daham“ erzählt er etwa vom Willi, der beim Schnapsen seinen Jagdhund verloren hat, vom Pfarrer, der seine Köchin im Internet gesehen hat und vom Opa – der hat sich beim Hofer am Parkplatz verfahren. Jimmy singt, Chris Heller lacht an den Tasten.

Hin und wieder treten sie auch gemeinsam mit Martin Neid auf. Dessen zweites Buch „Na ja … und andere Weinviertler Seufzer“ gibt’s schon in der 8. Auflage in der Edition Winkler-Hermaden. Empfehlung. Lesen oder live erleben. Geschichten, die du nicht erfinden kannst.

„Nur ka Wasser net“, singt Jimmy Schlager in der Hymne für Freunde des Weins.

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