Kreative aller Welten, vereinigt euch!
Niederösterreich abseits des Mainstreams. Ein guter Platz für die Zukunft.
7 Kreative und was sie so treiben.
Zeitgenössische Mode, die alltagstauglich ist, schneidert Textil-designerin Tirana Mika. Mit besonderem Augenmerk auf die Materialien.
Handmade statt Industrial
„So viele verschiedene Sachen“ hat sie schon gemacht, lacht Tihana Miksa. Ballett-Ausbildung, Design-Studium, Illustratorin, Kostümbildnerin für Film und Theater, Vortragende in Workshops und an der Universität. Zahlreiche internationale Ausstellungen, mehrere Design-Preise. Bis nach China hat sie ihre Arbeit geführt, die Liebe hat sie von Zagreb ins Weinviertel verschlagen. „Ich mag die Natur hier, die Landschaft und die Ruhe.“
Tihana macht ihre Kleidungsstücke und Kopfbedeckungen nicht für Fashion Shows, sondern für Menschen, die sie tatsächlich im Alltag tragen. Mit dem Begriff „Avantgarde“ kann sie gut leben, Mainstream ist ihr zuwider. „Ich muss es mögen, und die Menschen müssen es mögen.“ Wichtig sind ihr dabei die verwendeten Materialien. Sie beschäftigt sich mit traditionellen kroatischen Stoffen und Textiltechniken. Und erzählt zum Beispiel von einer speziellen Männer-Hose, die aus einem ganzen Quadrat gefertigt wurde – weil es zu teuer war, vom wertvollen Stoff was wegzuschneiden. Sustainable würde man heute dazu sagen.
Gemeinsam mit ihrem Mann, dem Maler Robert Petschinka, hat sie jetzt eine kleine Serie von Taschen und Jacken mit von ihm gezeichneten Motiven genäht. „Wir sind sehr gut zusammen. Ich bin langsam und Perfektionistin, er ist schnell und klar.“ Da hilft, dass Petschinka seinerzeit mal das Schneiderhandwerk gelernt hat. Was kommt als Nächstes? „Kreativität hat kein Ende. Ich hab’ noch so viele Ideen im Kopf – und das ist wunderbar.“
Erich Schindlecker macht Programm. Während die Acts 2023 auf der Donaubühne und im Danubium gerade laufen, plant er schon die nächsten Jahre.
Tullner Paralleluniversen
Kurtologen kennen ihn unter dem Namen „Der Herr Erich aus Tulln“. So hat Willi Resetarits ihn einst einmal genannt: Erich Schindlecker. Künstlermanager, Veranstaltungsprofi, Kulturmensch. Er hat nicht nur den Ostbahn-Kurti früher begleitet, sondern auch viele andere heimische Musiker:innen und Kabarettist:innen. Sein Markenzeichen ist der Sonnenhut. Gut, den hat er ein bissl seinem fortschreitenden Alter und der damit einhergehenden Ausdünnung der Haarpracht zu verdanken. Aber er passt gut zu ihm, wenn er da so durch Tulln schlendert. Unbemerkt kann Erich Schindlecker das aber kaum tun. An jeder Ecke wird ihm die Meinung gesagt. Über die letzte Veranstaltung, die er organisiert hat. Gut, dass die meistens sehr gut ist. Vielleicht wirkt Erich Schindlecker deshalb immer so tiefenentspannt. „Panik ist sowieso kein guter Begleiter“, lacht der Herr Erich aus Tulln. Allein in der Stadt hat er über 700 Veranstaltungen organisiert. Tom Jones, Joe Cocker. Zu den Großen ist er durch großes Engagement und konsequentes ehrliches Arbeiten gekommen. Aber auch der Nachwuchs ist ihm wichtig. „Du kannst am Puls der österreichischen Kabarett-Szene sein, ohne Tulln verlassen zu müssen.“ Was besondere Talente auszeichnet? Dass sie eine gewisse Aura haben. Und dass sie es schaffen, die Menschen aus ihrer Lethargie zu holen. Weg vom Handy. Rein ins Danubium oder zur Donaubühne. Für beide Tullner Locations macht Erich Schindlecker Programm. Während 2023 läuft, plant er schon 2024 und 2025. „In meinem Job geht es um Paralleluniversen.“ Die direkte Gerade zum Programm verläuft genau hier…
Das ganze Universum auf einem Blatt. Die Künstlerin Angela Anderer und ihre Blattscapes.
Miss Universe
Das erste Blatt war von einem Ahorn. Mittlerweile sind es an die 400, „hinter denen ich künstlerisch stehen kann“, erzählt Angela Andorrer. Sie sucht sich diese besonderen Hintergründe, um ihre „Landschaften“ darauf zu malen. Manchmal ganz puristisch mit wenigen Farben und Strichen. Manchmal opulent, mit Perlen bestickt. Beinahe folkloristisch. Ein Hauch Südamerika, wo Angela Andorrer einen Teil ihrer Kindheit verbrachte. Der Vater war Kartograph, die Familie in den ersten Jahren viel unterwegs. Vielleicht haben es Angela Andorrer deshalb die Landschaften im Kleinen so angetan. „Jedes Blatt ist für mich wie ein eigenes Land oder eine Insel. Am liebsten mag ich die sehr fragilen und zerlöcherten Blätter“, erzählt die gelernte Geigerin. Der Faden ist dabei ihre Art der Betonung. Das eine Mal läuft er zickzack. Das andere Mal streng gerade. Angela Andorrer reproduziert auf den Blättern Stimmungen, von kontemplativ bis fröhlich. Jedes Blattscape ist ein Einzelstück – dafür hat Angela Andorrer mit dem Naturhistorischen Museum ein eigenes Verfahren entwickelt, um die Blätter besser bearbeiten zu können. Eine Schicht, die wie Leder wirkt und den Arbeiten eine weitere Dimension gibt. Die große Welt im Kleinen. Wer schaut, entdeckt ein ganzes Universum.
Angela Andorrers Blattscapes sind bis 17. September 2023 Teil der Ausstellung HUMAN_NATURE im Wiener Künstlerhaus. www.k-haus.at
Ausgewählte Blattscapes und Fotografien aus der „Galerie der Reisenden Blätter“ sind bis Sommer 2024 im Weingut Nigl zu sehen.
www.weingut-nigl.at
Reist mit ihrer analogen Mittelformatkamera um die Welt: Fotografin Verena Andrea Prenner
Die Frage, was man zeigt
Wenn man in einer Gesellschaft lebt, deren Sprache man nicht spricht, muss man alle anderen Sinne schärfen. Verena Andrea Prenner ist Soziologin und Fotografin. Für ihr Kunstprojekt Camping zog sie kurzerhand ins Flüchtlingslager in die Westbank – mitten hinein in den Konflikt zwischen Israel und Palästina. Um die palästinensischen Taxifahrer zu porträtieren, die ihre Fahrgäste an der israelischen Sicherheitsmauer abholen. Die erzählten ihr, dass sie sich dort „wie Tiere im Zoo“ fühlten. Da stellt sich die Frage als Fotografin: Was zeigt man? Was darf man zeigen? Vielleicht entwickelte Verena Prenner deshalb die Idee, die Taxilenker in kunstvollen, selbst angefertigten Masken zu fotografieren. Hergestellt aus alten Plastiksäcken, weil auch Müll ein Riesenproblem ist. Entstanden ist eine sensible Serie an Fotografien, Zeichnungen und Texten. Ein Konzept, das Verena Andrea Prenner auch für ihre Zeit im Kongo adaptierte. Und wer weiß: Vielleicht gibt’s auch bald ein Projekt in Seebenstein. Da kommt die Künstlerin her.
Camping ist als Buch in der Edition Lammerhuber erschienen.
Andi Fränzl hat viele Gesichter. Und die zeichnet er auch.
3 Kirtage sind einer zu wenig
Er ist Musiker, Zeichner, Grafiker, Kurator, DJ, Kommunikator, künstlerischer Leiter und Mitbegründer des Vereins La Musique et Sun (LAMES) in St. Pölten. Was macht er eigentlich nicht? „Die trockenen G’schichtn, die auch wichtig wären, Excel-Listen-Kurse zum Beispiel.“
Andi Fränzl hat viele Gesichter. Und die zeichnet er auch. Mittlerweile gibt’s sogar Teppiche mit Fränzls Motiven. Entstanden sind die aus einer Kollaboration mit dem Lilienfelder „tufting artist“ Elias Danner.
//Tufting Teppiche werden nicht gewebt oder geknüpft, sondern mithilfe einer Tufting-Maschine in ein Trägergewebe geschossen.
Und immer mal wieder die eine oder andere Ausstellung, zuletzt in Wien und St. Pölten. Da, wo Andi Fränzl ist, spielt die Musik. Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn die macht er auch selber. 18 Jahre war er mit seiner Band Bauchklang unterwegs. Geprobt wurde im Sonnenpark, dem Zaubergarten der St. Pöltner Subkultur. Spielwiese für interdisziplinäres Arbeiten und vielfältigen Austausch. Andi Fränzl hat Visionen, will etwas bewegen und zieht seine eigene Linie. Und das nicht nur mit dem Stift. Als bildender Künstler arbeitet er intuitiv. „Ich leite Emotionen in meine Kunst weiter. Beim Zeichnen nicht viel denken, einfach tun, da entstehen die besten Sachen.“ Im Zentrum all seiner Projekte stehen Begegnung, Bewegung und die Kunst als Ventil, um gesellschaftspolitisch etwas zu verändern. Bei Andi Fränzl tut sich was – immer. Ganz nach dem Motto: Rock around the clock. Da kann man nur gespannt sein, was als nächstes kommt.
Andi Fränzl ist künstlerischer Leiter des Vereins LAMES/Sonnenpark. Dort findet man ganze 5 Hektar voll von Kunst, Kultur und Natur – und Andi Fränzl, wenn er nicht gerade für das neue Festival für Gegenwartskultur „Tangente St.Pölten“ unterwegs ist.
www.lames.at | www.sonnenpark-stp.at | www.tangente-st-poelten.at
Ein Ofen wie ein Klavier: Was Kreativität für den Koch Karl Schwillinsky bedeutet und warum er gerne ein bissl oldschool ist.
Aber bitte mit Messing
Karl Schwillinsky ist immer auf der Suche. Auf der Suche nach schönen Öfen. Schon als er im legendären Tantris in München gearbeitet hat, war Molteni für ihn das, was für andere vielleicht der Maserati. Heute ist er glücklich mit seinem La Cornue. Nach über zehn Jahren im Keller hat der Ofen mit den handgefertigten Messing-Teilen endlich seinen Platz im Weingut seiner Frau Barbara Öhlzelt im Kamptal gefunden. Darauf kocht Karl Schwillinsky nicht – vielmehr spielt er seine Nummern am Herd. „Die Kochplatte ist wie ein Klavier. Durchs Ziehen und Schieben der Pfannen entstehen die Gerichte.“ Klassik oder Jazz? „In allem, was ich tue, bin ich eher der klassische Handwerker. Vielleicht mag ich deshalb diese Öfen so. Die sind auch ein bissl oldschool. Dafür überleben sie zwei Generationen an Köchen.“
Was Kreativität für Karl Schwillinsky bedeutet? „Wenn man Zutaten aus der Gegend immer wieder neu zusammensetzt, anders zubereitet.“ Gut, dass er es liebt, seine Gäste immer auch ein bisschen zu fordern. Wie mit seinem Tsatsiki, das als Gurken-Kaviar daherkommt. „Da haben die Leute nachdenken müssen, was sie da essen“, grinst er. Und für alle, die sich jetzt fragen, wo denn das dazugehörige Lokal steht, sei gesagt: So einfach ist es nicht. Denn Karls Universum besteht aus vielen Küchen. Der im Buffet im Schönberger Freibad. Da serviert Karl Schwillinsky zu den frisch frittierten Calamari eine waschechte Aioli. Dazu gibt’s 100 Weine zur Auswahl und die gute Nachricht, dass man nicht einmal baden muss, um zu essen. Zur Schank des Badbuffets schafft man es auch als Nicht-Badegast. Sprich: zweiter Eingang. Nach Badeschluss im Herbst startet Karl Schwillinsky seine Herbst-Winter-Saison im Strasser Keller in Langenlois. Und dazwischen ist er natürlich am schönsten aller Öfen. Zu besonderen Anlässen kocht er auf dem La Cornue im Weingut.
Dass Filz auch spannende Seiten haben kann, beweisen Katja Himmelbauer und Valerie Lukas mit ihren Arbeiten.
Steinweich
Der Flamingo. Ein Sessel, wie es ihn kein zweites Mal gibt. Eine Auftragsarbeit für eine Foto-Serie, die gerade startet. Dabei wird es um das Thema Kreativität gehen. Jede Menge davon, gepaart mit handwerklichen Fähigkeiten war auch nötig, um das Möbelstück so hinzubekommen. Den Namen hat es von der Farbbezeichnung der Schafwolle, aus der die vielen einzelnen Steine gefilzt sind.
Steine, ja, aber wunderbar weiche. Filzsteine. Damit beschäftigen sich Katja Himmelbauer und Valerie Lukas. Die beiden Schwestern haben die Idee von einer Freundin übernommen und produzieren seitdem Steine in allen Farben und vielen Größen. Mit oder ohne Maserung, jeder davon ist ein handgemachtes Unikat, entstanden in vielen Arbeitsschritten. Zusammengenäht entstehen daraus zum Beispiel Teppiche in unterschiedlichen Größen. Ganz nach Kundenwunsch. So wie der „Flamingo“ bekommt jede ihrer Arbeiten einen Namen. Die vier „Amerikaner“ sind letzte Woche wohlbehalten in den USA angekommen. Der stolze Besitzer hat bereits Fotos geschickt und freut sich, wie gut sie in seinen Master-Bathroom passen. Eine Anfrage aus Japan liegt auch auf dem Atelier-Tisch. Da geht’s um die Ausgestaltung eines Kindergartens. Manche hängen die Filzobjekte auch an die Wand, um die Raumakkustik zu verbessern. Der Firmenname „Asparnart“ leitet sich vom Standort ihrer Steinmanufaktur in einem kleinen Ort unweit von Tulln ab. Dort haben sie in einem alten Einfamilienhaus aus den 50ern ihr Atelier etabliert. Und dort wird bereits an den nächsten Ideen gearbeitet, was sich noch alles aus Filz-steinen machen lässt.
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