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So vielseitig. So spannend. Die Ersten Lagen der Österreichischen Traditionsweingüter sind geballte Vielfalt auf kleinstem Raum. Wir packen den Geologenhammer ein und gehen auf Entdeckungsreise.

Text: Pamela Schmatz
Fotografie: Rainer Friedl

Österreichische Traditionsweingüter (ÖTW)
▷ 7 Weinbauregionen
▷ 77 Winzerinnen und Winzer
▷ 95 ÖTW.Erste Lagen

Veranstaltungstipp!
Publikumsverkostung am ÖTW Erste Lagen & Single Vineyard Summit
2. September 2023, Schloss Grafenegg

Reise-Antritt: Kremstal!

Willkommen auf einer Rundreise, die in keinem Katalog steht. Mit den Österreichischen Traditionsweingütern geht’s exklusiv in sieben Weinbaugebiete entlang der Donau. Die geballte Vielfalt an Böden auf engstem Raum. Als Reisebegleitung haben wir uns Dr. Maria Heinrich ausgesucht – Geologin der Bundesanstalt für Geologie i. R. Sie führt uns souverän durchs geologische Dickicht und macht Zusammenhänge sichtbar, die weit in die Vergangenheit reichen. Warum kann Wein nicht mineralisch sein? Was der Zöbinger Heiligenstein mit einem Ildefonso gemeinsam hat? Und warum ihr Ur-Gestein aus dem Wein-Vokabelheft streichen solltet? Maria Heinrich wird es erzählen. Aber nun anschnallen.

First stop: Kremstal. Das Weinbaugebiet, das in Sachen Böden und Klima wohl am stärksten differenziert ist. Es befindet sich an beiden Seiten der Donau. Mit diesen drei Buchstaben kann man sich trotzdem einfach orientieren: W-O-S. Im Westen – rund um Stein und Senftenberg – dominieren Böden auf kristallinen Gesteinen. Im Osten von Krems gibt der Löss den Ton an. Und im Süden wechseln einander Löss, Schotter und kristalliner Granulit ab. Dieser Wegweiser gibt die grobe Richtung vor. Dann kommt es auf die genaue Lage und das Mikroklima an. Denn einfach kann man nur die Aussage tätigen, dass es in Sachen Wein & Boden komplex ist. „Wir Geolog:innen schauen uns den Unterboden an – und hier auch die kleinsten Teile. Die sind kleiner als 0,002 mm, aber über genau diese holt sich der Rebstock die Nährstoffe. Das ist sozusagen seine ganze Speisekarte“, erklärt die Geologin. Eins zu eins übertragen sich diese Stoffe aber nicht in den Wein. „Deshalb kann man nicht sagen, dass sich Mineralität, als Geschmack im Wein, von den Mineralen in Gestein und Boden ableitet. Eine direkte Verbindung zum Mineralbestand des Bodens lässt sich im Wein nicht nachweisen – wir haben’s versucht.“

Das Thema Wein begleitet Maria Heinrich seit Jahren – weil es ihr Spaß macht und Wein genauso viel Gesprächsstoff bietet wie die Geologie. Auch deshalb ist Maria Heinrich mit vielen Winzerinnen und Winzern der Österreichischen Traditionsweingüter auf Du und Du. So wie mit Michael Malat, Obmann im Donauraum. „Uns interessiert die wissenschaftliche Erklärung, warum sich welche Rebsorten auf welchen Böden wie entwickeln. Vieles wissen wir zwar aus der Tradition heraus – weil es unsere Vorfahren so gemacht haben. Aber jetzt ist es Zeit für den nächsten Schritt. Auch weil der Klimawandel unsere Arbeit verändert.  Überspitzt gesagt: Früher haben wir unseren Lesehelfern heißen Tee gebracht, weil es oft feucht und kalt war. Heute gibt es Eis am Stiel.“

So viele Parameter ändern sich beim Wein-Machen ständig. Der Boden ist die Konstante.

Michael Malat, Obmann der Österreichischen Traditionsweingüter Donauraum

Warum das Thema Boden so essentiell ist? Weil unterschiedliche Böden unterschiedliche Weine hervorbringen. Genau darum geht es den aktuell 77 Winzerinnen und Winzern der Österreichischen Traditionsweingüter. Sie verstehen Wein nicht als gemachtes Produkt, sondern als Abbild seiner Herkunft. Als etwas sehr Individuelles. „Uns geht es darum, die Charakteristik der Lage in die Flasche zu bekommen.“

Wie man dabei über das Kremstal einen guten Überblick bekommt? Wir haben Michael Malat nach drei Lagen gefragt, die das exemplarisch schaffen: Die Ried Pfaffenberg in Stein, wo langlebige Rieslinge auf Gföhler Gneis und Glimmerschiefer wachsen. Die Ried Gottschelle in Furth, wo Löss in den oberen Schichten auf Schotter in den unteren trifft. Und die Ried Gebling in Krems und Rohrendorf, das größte Lössmassiv der Region. Apropos Löss. Was ist das eigentlich genau? „Löss ist angewehter Gesteinsstaub – aus einer Zeit beginnend mit der Eiszeit vor etwa 600.000 Jahren bis etwa 15.000 vor heute, als die Mammuts hier grasten“, erklärt Maria Heinrich. Auch hier gilt: Löss ist nicht gleich Löss. Je nachdem, von wo er herkommt. Geschichte, vom Winde verweht. Die Basis für viele große Weine im Kremstal – besonders für Grünen Veltliner.

Mineralität? Die Wurzeln knabbern ja nicht am Stein. Das Ganze ist komplexer.

Maria Heinrich, Geologin

Logbuch Kremstal

▷ 2.250 Hektar
▷ 36 ÖTW.Erste Lagen
▷ 16 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Grüner Veltliner, Riesling

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Gebling in Krems/Rohrendorf
▷ Ried Gottschelle in Furth
▷ Ried Pfaffenberg in Stein

Next Stop: Traisental

Weiter geht’s. Vom Krems- ins Traisental. Eine enge Nachbarschaft südlich der Donau. Und doch sind Dinge hier wieder ganz anders. Zum Beispiel ist es hier deutlich kühler und feuchter. Ein Tal wie ein Windkanal. Diese Kühle und Frische drückt sich in den Weinen aus. „Alle, die deutschen Riesling lieben, finden sich auch bei uns wieder“, so Markus Huber, Mitglied der Österreichischen Traditionsweingüter im Traisental.

In Sachen Böden reisen wir noch weiter zurück als im Kremstal: Das Konglomerat, auf dem die Reben hier wachsen, ist satte 15 Millionen Jahre alt und hört auf den Namen Hollenburg-Karlstetten-Formation. Stark verfestigte Gerölle, Kiese und Sande, die einst die Ur-Traisen hier anspülte. Die Kalkalpen lassen grüßen. Das, was früher Tal war, ist heute der Berg. Die Geologin nennt das Relief-Umkehr. Ziemlich alt ist auch die Tradition, hier Wein zu kultivieren. Im Traisental wurde der älteste Weinstock Österreichs gefunden – er war 4.000 Jahre alt. 

Alle, die deutschen Riesling lieben, finden sich auch bei uns im Traisental wieder.

Markus Huber, Mitglied der Österreichischen Traditionsweingüter im Traisental

Nun aber zu jüngeren Semestern. Fragt man Markus Huber nach drei Rieden, die fürs Traisental stehen, dann landet man sofort in der Ried Berg in Getzersdorf. Oben wächst Riesling, unten Grüner Veltliner – beide Sorten zeigen sich hier von ihrer asketischen Seite. So wie der Grüne Veltliner aus der Ried Hochschopf in Nussdorf ob der Traisen. Auch dieser Lage sollte man sich widmen, empfiehlt Markus Huber. Grüner Veltliner gedeiht überall dort besonders gut, wo Löss einst angeweht wurde und liegenblieb. Zum Beispiel in der Ried Zwirch in Inzersdorf, deren Grüne Veltliner kraftvoll und feurig sind. Wer sich das Ganze gerne praktisch anschaut, macht eine Wanderung durch die Lagen. Zum Beispiel auf dem Paraplui-Weg ab Nussdorf. So macht es auch Maria Heinrich: „Mit der Geologie geht man immer zu Fuß.“ Im Traisental ist das besonders entschleunigt, „weil wir ja doch etwas ab vom Schuss sind“, so Markus Huber.

Was macht es noch aus, das Terroir im Traisental – neben Boden und dem Klima? „Natürlich auch die Interpretation durch den Winzer oder die Winzerin. Auch der Mensch prägt das Terroir. Und da ist es für ein Gebiet gut, wenn es ein kollektives Bewusstsein gibt. Eine gemeinsame Denkrichtung, wie Weine aus dem Traisental schmecken.“ Wir fassen zusammen: Das Traisental ist mit seinen 850 Hektar eines der kleinsten Weinbaugebiete des Landes. Die meisten Rieden formieren sich entlang des markanten Bergrückens zwischen Neusiedl im Norden und Inzersdorf im Süden. Frisch, feinziseliert, mitunter burgundisch kann das schmecken. Ein Kleinod, das große Überraschungen im Glas bereithält.  

Gruß aus den Kalkalpen: Die Reben wachsen auf Schotter, den einst die Ur-Traisen hier ablagerte.

Logbuch Traisental

▷ 850 Hektar
▷ 6 ÖTW.Erste Lagen
▷ 3 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Grüner Veltliner, Riesling

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Berg in Getzersdorf
▷ Ried Hochschopf in Nussdorf/Traisen
▷ Ried Zwirch in Inzersdorf

Das Kamptal und die existenzielle Frage was ist der Wein?

Ist das Riesling oder ist das Heiligenstein? Wir reisen ins Kamptal, das uns existenzielle Fragen stellt. Um sich der Sache zu nähern, geht es hinauf auf den Heiligenstein. Der Zöbinger Berg ist eine geologische Insel. „Das hier ist speziell, wirklich nicht alltäglich“, so die Geologin Maria Heinrich. Die Gesteine des Heiligenstein sind zwischen 250 und 330 Millionen Jahre alt und nach Süden gekippt. Quert man den Berg, spaziert man quasi durchs Erdzeitalter des jungen Erdalterums – vom jüngsten Teil im Osten bis zum ältesten im Nordwesten, wie ein aufgekipptes Ildefonso sind die Böden aus den verschiedenen Zeiten angeordnet. 

Die Zöbing-Formation ist der absolut letzte Rest eines Hochgebirges, das sich einst über das ganze Mühl- und Waldviertel zog. „Der Berg ist die Konstante“, so Michael Moosbrugger, Bundesobmann der Österreichischen Traditionsweingüter. Eine Konstante, die sich durch verschiedene Rebsorten ausdrücken kann. „Früher war es Gemischter Satz, heute wächst am Heiligenstein Riesling. Und in 100 Jahren wird sich der Berg wieder anders ausdrücken.“ Das, was bleibt, ist Herkunft. Ein Grundsatz, der die 77 Winzerinnen und Winzer der Österreichischen Traditionsweingüter quer durch alle Regionen verbindet. Herkunft in aller Konsequenz zu zeigen, heißt, sie in den Fokus zu rücken. 

Michael Moosbrugger geht sogar so weit, auf das Vorderetikett seiner Lagenweine nicht einmal die Rebsorte zu schreiben. Heiligenstein ist Heiligenstein. Eine Denkrichtung, die heute fast revolutionär anmutet, früher aber gang und gäbe war. Zöbinger, Strasser, Langenloiser – Weine wurden bis in die 1970er Jahre in Österreich unter Ortsnamen – und damit nach ihrer Herkunft – vermarktet. Michael Moosbrugger arbeitet deshalb schon lange daran, die Denkrichtung in der Klassifizierung österreichischer Weine zu ändern. Hin zu einer Klassifizierung nach Lagen – und damit nach Herkunft. „Schlagen Sie eine Weinkarte auf. Sie werden sehen, dass Weine aus Frankreich oder Italien nach Appelationen geordnet sind. Nur der österreichische Wein wird noch immer oft nach Rebsorten gegliedert. Das wollen wir ändern.“ Der Heiligenstein kann dabei als Mutter aller Lagenweine bezeichnet werden – der „Heiligensteiner“ war schon im Fin de Siècle beliebt, als die Sommerfrischler das Kamptal für sich entdeckten. 

Heute drückt sich der Heiligenstein durch Riesling aus. In 100 Jahren wahrscheinlich durch eine andere Rebsorte.

Michael Moosbrugger, Bundesobmann der Österreichischen Traditionsweingüter

Beschäftigt man sich mit dem Begriff Terroir, landet man irgendwann bei der Frage Was ist der Wein? Geht es um die Frage Grüner Veltliner oder Riesling? Oder um Ried Loiserberg oder Ried Spiegel? Das sind zwei weitere Lagen, denen man sich im Kamptal auf jeden Fall nähern sollte. „Am Loiserberg wachsen die Weine auf kristallinen Böden: auf Pargneis und Amphiboliten. Das bezeichnen manche übrigens salopp als Ur-Gestein. Ein Begriff, mit dem wir Geolog:innen nicht so können …“, so Maria Heinrich. Während auf kargen Böden wie dem Heiligenstein und dem Loiserberg der Riesling zuhause ist, entwickelt sich Grüner Veltliner zum Beispiel auf der Ried Spiegel südlich von Langenlois prächtig. Hier zeigt der mächtige Löss die andere Seite des Kamptals. Die zweite Seite der Medaille. Für einen guten Überblick braucht’s bekanntlich mehrere Perspektiven.

Logbuch Kamptal

▷ 3.570 Hektar
▷ 20 ÖTW.Erste Lagen
▷ 15 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Grüner Veltliner, Riesling

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Heiligenstein in Zöbing
▷ Ried Loiserberg in Langenlois
▷ Ried Spiegel in Langenlois

Wagram: auf zum Löss!

Der ganze Wagram besteht aus Löss. Der ganze Wagram? „Nein, bei uns gibt es mit den Ausläufern des Manhartsberges auch andere Böden“, erklärt Karl Fritsch. Trotzdem prägt der Löss natürlich viele Lagen – und eine rund 30 Meter hohe Geländekante die ganze Weinregion. Dort, wo früher das Meer und die Donau brandeten, wachsen heute die Reben im meterdicken Löss. „Das macht die Weine ein bisschen barocker.“ Manche nennen es Grundstilistik, Karl Fritsch „eine Energie, die den Wein zum Strahlen bringt.“ Wenn die Stilistik des Wagrams ein Schloss wäre, dann gäbe es darin viele Räume zu entdecken. Ein Bild, das wir mitnehmen. So wie jenes vom mächtigen Löss als „Speichermedium“. Besonders Grüner Veltliner fühlt sich hier wohl. „Die Sorte braucht einen vollen Kühlschrank. Riesling ist dagegen der Sportler, der möchte kämpfen.“ Auch deshalb findet man diese beiden Rebsorten in vielen Weinbaugebieten an der Donau als natürliche Komplementäre. Das, was die eine braucht, will die andere nicht. 

Das, was wir auf jeden Fall wollen, ist Roten Veltliner aus den verschiedenen Lagen zu probieren. Die autochthone Rebsorte zeigt den Wagram besonders gut – oder der Wagram den Roten Veltliner. Ein existenzieller Unterschied, wie wir gelernt haben. Vor allem dann, wenn der Faktor Zeit dazukommt. „Nach vier, fünf Jahren übernimmt die Lage das Kommando im Wein. Da wird das Terroir so richtig spürbar“, erklärt Karl Fritsch. „Davor kann man die Handschrift des Winzers oder der Winzerin viel deutlicher im Wein lesen.“ Die Österreichischen Traditionsweingüter sieht Karl Fritsch als Gleichgesinnte, die genau das wollen: Dass der Wein sein Terroir zeigt. Das funktioniert mit einem sehr handwerklichen, natürlichen Zugang: „Wir sind keine Winemaker. Wir sind Weinbegleiter.“

Nach vier, fünf Jahren übernimmt die Lage das Kommando im Wein.

Karl Fritsch, Mitglied der Österreichischen Traditionsweingüter am Wagram

Vielschichtigkeit, Vibration, Dichte. Der hohe Kalkanteil im Löss unterstützt, dass die Weine große Spannung entwickeln. „Ein Wein braucht einen Zug.“ Nein, hier ist nicht das Verkehrsmittel gemeint. Anreisen kann man natürlich per Bahn, um sich aufzumachen in die Lagen des Wagrams. Ried Rosenberg, Schlossberg und Scheiben – mit diesen drei Lagen bekommt man zum Beispiel einen guten ersten Eindruck, findet der Winzer. Die Österreichischen Traditionsweingüter und die ÖTW.Erste Lagen am Wagram befinden sich übrigens alle nördlich der Donau – zwischen Feuersbrunn im Osten und Großweikersdorf im Westen. Noch ein Tipp am Schluss: Auch Pinot Noir zeigt den Wagram höchst spannend. Zug um Zug, ihr wisst schon …

Der Wagram ist schon von der Weite sichtbar: durch seine 30 m hohe Geländekante, die den Blick auf den Löss freigibt.

Logbuch Wagram

▷ 2.460 Hektar
▷ 12 ÖTW.Erste Lagen
▷ 6 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Grüner Veltliner, Roter Veltliner, Riesling

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Rosenberg in Feuersbrunn
▷ Ried Schlossberg in Mitter- und Oberstockstall
▷ Ried Scheiben in Fels am Wagram

Vienna calling for Terroir

Willkommen am Nussberg, einem besonderen Platz in Wien. „Das war einmal ein Riff im flachen Meer – heute stehen auf dem verwitterten Kalkstein die Reben. So kommt ein ganz eigener Typus von Wein zustande, den ich in Frankreich noch nicht probiert habe. In Italien nicht und auch in der neuen Welt nicht. Das gibt es nur hier.“ Fritz Wieninger bringt es auf den Punkt, warum der Wein und der Boden, auf dem er wächst, so fest verbunden sind. „Boden prägt den Wein – in die eine oder andere Richtung. Klar, kann man Wein auch machen – heute sind Schönungsmittel am Markt, da kann man einen Veltliner zu einem Sauvignon verändern. Genau das liegt uns gar nicht. Wir Traditionsweingüter suchen die Unverwechselbarkeit. Nehmen wir nur die Sorte Grüner Veltliner, die gibt’s sogar in Neuseeland oder Kalifornien. Die gehört nicht uns. Aber Grüner Veltliner vom Falkenberg am Bisamberg – das gehört uns. Gemischter Satz vom Nussberg – das gehört uns.“

Unverwechselbar an der Weinregion Wien ist ihre Vielfalt: mehr als 100 Kleinstlagen, viele davon geprägt von Böden auf Flysch-Mergel und viel muschelreichem Kalkstein. Nicht umsonst steht der Wiener Gemischter Satz für die Stadt. „Willi Resetarits hat zu mir einmal gesagt: Eigentlich sind wir alle ein Gemischter Satz. Wien ist eine multikulturelle Stadt.“ Der Wiener Gemischter Satz vom Nussberg vereint zum Beispiel all diese Schichten: Unterschiedliche Rebsorten wachsen gemeinsam in einem Weingarten – bei der Lese ergibt das auch verschiedene Reifezustände, die gemeinsam in einem Wein landen. Eine Symbiose an Aromen, die DNA vom Nussberg. „Diesen Wein würden wir am Bisamberg nicht hinbekommen“, erklärt Fritz Wieninger. 

Wir suchen die Unverwechselbarkeit. Deshalb ist der Boden so wichtig.

Fritz Wieninger, Obmann der Österreichischen Traditionsweingüter in Wien

Grob lässt sich das Weinbaugebiet Wien in zwei Teile zerlegen: In den südlichen rund um den Nussberg und Grinzing. Und in den nördlichen Teil: den Bisamberg, wo die Böden lössiger sind und das Klima trockener ist. ÖTW. Erste Lagen finden sich auf beiden Seiten, eine davon ist die Ried Falkenberg in Stammersdorf: „Das ist eine Ostlage und bekommt dadurch die kühlere Sonne – das ist in Zeiten der Klimaverschiebung gar nicht schlecht.“ 

Für Fritz Wieninger ist das Klassifikationssystem der Österreichischen Traditionsweingüter ein guter Kompass durch die Weine der jeweiligen Region. „ÖTW.Erste Lage ist ein Wegweiser für Konsumentinnen und Konsumenten. Dieser Stempel bedeutet: mehr Konzentration. Mehr Charakter. Mehr Vielschichtigkeit. Für die einen heißt der Schluss, den sie daraus ziehen: Da bin ich zuhause, das ist das komplexe Zeug. Für die anderen, die lieber leichte einfache Weine trinken, bedeutet es: Hände weg. Wichtig ist das Wegweiserische der ÖTW.Ersten Lagen. Wenn ich diesen Begriff auf der Karte lese, kann ich sicher sein, dass das ein sehr wertiger Wein ist.“

So manche Getränkekarten gestalten die Traditionsweingüter in Wien auch selbst: dann, wenn sie Heurigen machen. „Das gehört bei uns einfach dazu. Ich mache bei unserer Buschenschank auch ab und zu den Schankburschen, mir macht das Spaß.“ Also los, auf zum Heurigen nach Wien. Denn wo erlebt man Terroir besser als mittendrin?

Logbuch Wien

▷ 580 Hektar
▷ 12 ÖTW.Erste Lagen
▷ 8 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Wiener Gemischter Satz DAC, Grüner Veltliner, Riesling, Weissburgunder

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Preussen
▷ Ried Steinberg
▷ Ried Falkenberg

Halbe-Halbe: die Thermenregion

„Du kannst das, was du hast“, findet Hannes Reinisch. Die Thermenregion hat beste Voraussetzungen für Zierfandler, Rotgipfler, St. Laurent und Pinot Noir. Dieses Vierer-Gespann transportiert das, was Böden und Klima hier auszeichnen. Der Süden ist mit seinem pannonischen Klima perfekt für elegante Rotweine. Im Norden rund um Gumpoldskirchen dominiert der Weißwein. Halbe-halbe, wie es im Buche steht. Etwas Besonderes sind die autochthonen Rebsorten, alleine die sind eine Reise wert. Findet man sonst praktisch nirgendwo. „Vom Zierfandler gibt es insgesamt nur 70 Hektar. 65 davon liegen in der Thermenregion“, erzählt Hannes Reinisch. Die Kreuzung aus Rotem Veltliner und der Familie des Traminers passt perfekt in dieses Klima. Auf Böden wie in der Ried Spiegel in Gumpoldskirchen: Kalkstein mit Muscheln, Schotter und Konglomerate des Wiener Beckens. 

„Die Lagen sind das, was uns unterscheidet.“ Zur Bedeutung einer Lage zählt auch ihre Geschichte. Die Ried Spiegel gehörte einst den Habsburgern, heute dem Stift Melk. Eine Tatsache, die in der Thermenregion weit verbreitet ist. Viele Stifte und Klöster besitzen in und um Gumpoldskirchen Weingärten. „Die haben sich natürlich immer die besten Lagen ausgesucht“, so Hannes Reinisch. Das Beste aus den besten Lagen zu machen – das zeichnet die Österreichischen Traditionsweingüter aus. „Das Schöne am Winzer-Sein ist, dass wir ein Produkt erzeugen, das Persönlichkeit hat“, sagt Hannes Reinisch. Boden und Mensch haben dabei einen großen Anteil, so der Winzer. „Idealerweise findest du dich selbst im Wein wieder.“ Groß, kräftig, beständig – Attribute, die Hannes Reinisch Weinen auch der Thermenregion zuschreibt. „Weißweine mit 11 Alkohol und hoher Säure – das schaffst du hier nicht.
Du musst das machen, wo deine Stärken liegen.“  

Die Lagen sind das, was uns unterscheidet.

Hannes Reinisch, Obmann der Österreichischen Traditionsweingüter in der Thermenregion

Eine Stärke der Region ist auch der besondere Zusammenhalt der Winzerinnen und Winzer. In der Thermenregion liegen neun Betriebe der Österreichischen Traditionsweingüter. Acht davon arbeiten biologisch. „Auch das zeichnet uns aus: Wir haben hier eine starke Bio-Gruppe, in der wir uns austauschen.“ Neben dem Austausch und der langen Tradition gehört auch die Heurigen-Kultur zur DNA der Region. Terroir am Teller und im Glas. Für besondere Pairings eignen sich die Weine der Thermenregion generell, findet Hannes Reinisch. Vom Backhendl bis zur Sichuan-Küche: Ein Ried Spiegel Zierfandler kann Partner für viele starke Gerichte sein.

Du kannst das, was du hast.

Wir reisen indes weiter Richtung Süden. Von Gumpoldskirchen nach Tattendorf. Vom Weißwein zum Rotwein. In der Ried Frauenfeld wachsen St. Laurent und Pinot Noir. Hier befinden wir uns mitten im Wiener Becken. Es ist nahezu flach, der Boden aus Schwarzerde auf trockenem Schotter. Karge Bedingungen – perfekt für elegante große Rotweine. Apropos groß. Was kann das beim Wein überhaupt bedeuten? „Großer Wein ist in der Jugend gut und im Alter. Großer Wein ist für uns auch ein Wein, der nicht beim ersten Reinriechen alles zeigt. Sondern seine Facetten erst beim zweiten, dritten Mal voll zur Geltung bringt.“ Großer Wein wächst in großen Lagen. Es gibt Rieden, die konstant jedes Jahr außergewöhnliche Weine hervorbringen. Was im Reiseführer die Sternchen bei der Sehenswürdigkeit sind, ist bei den Weinen in der Donauregion der Begriff ÖTW.Erste Lage – ein Marker für herausragende Qualitäten, wie wir bereits wissen. Wer weiter in die Tiefe gehen will, schaut auf die Website: www.traditionsweingueter.at

Logbuch Thermenregion

▷ 1.870 Hektar
▷ ÖTW.Erste Lagen noch zu klassifizieren
▷ 9 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Zierfandler, Rotgipfler, St. Laurent, Pinot Noir

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Spiegel in Gumpoldskirchen
▷ Ried Frauenfeld in Tattendorf
▷ Ried Mandelhöhe in Traiskirchen

In der Tiefe liegt die Botschaft: Carnuntum

Willkommen auf der letzten Station unserer Reise durch die sieben Regionen der Österreichischen Traditionsweingüter an der Donau. Wir sagen Ciao an der Riviera. Carnuntum ist nämlich das östlichste, wärmste und trockenste Weinbaugebiet auf unserem Weg. Hier trifft die Kühle der Donau auf die Wärme des Neusiedlersees. Mit 60 Prozent gibt der Rotwein klar den Ton an. Dazu kommt der konstante Wind der Brucker Pforte – das ist der schmale Bereich zwischen den Ausläufern des Leithagebirges im Westen und den Anfängen der Karpaten im Osten. 

Wir treffen Philipp Grassl am Weingut Markowitsch in Göttlesbrunn. Der Ort ist eines der zwei Zentren der Region. Hier schwimmen wir direkt im ehemaligen Pannon-See, der sich aus dem früheren Meer entwickelt hat und das Wiener Becken mit meist kalkigen Sedimenten füllte. Diese Schichten entdeckt man zum Beispiel im Bodenprofil der Ried Rosenberg. Ganz unten schichten sich feinkörnige und kalkige neogene Sedimente wie Baumringe. „Darüber befindet sich kalkarmer Schotter – der bringt die Mineralität und die Drainage im Boden“, erzählt Philipp Grassl. „Die Rebe holt sich in den ersten 70 Zentimetern des Bodens das, was für uns Brot und Butter sind. Durch ihre Tiefenbohrungen in bis zu 15 Meter Tiefe kommt sie an Mikro-Nährstoff-Depots – Eisen, Mangan, Zink. Deshalb wollen wir, dass die Reben alle Schichten durchwurzeln. Je tiefer, desto mehr Botschaft.“

Je tiefer die Reben wurzeln, desto mehr Botschaft.

Eine Besonderheit von Carnuntum ist, dass hier der Bio-Anteil mit rund zwei Drittel der gesamten Rebfläche besonders hoch ist: „Das passt für mich auch zum Herkunfts-Gedanken. Ich kann nicht von der Postkarte des Bodens sprechen und gleichzeitig alles mit Herbiziden niederspritzen.“

Eine letzte Etappe gibt’s noch. Weiter zum Spitzerberg in Prellenkirchen, der östlichsten aller ÖTW.Ersten Lagen. Hier kommt der Düseneffekt der Brucker Pforte voll zur Geltung. Geologisch ist der Spitzerberg viel älter als die Gesteine der Lagen in Göttlesbrunn und Höflein – rund 200 Millionen Jahre. „Das Spezielle am Spitzerberg ist auch, dass er so ein Monolith aus Kalkstein ist. Darüber befindet sich nur eine dünne Sandauflage. Kein Gramm Lehm. Perfekt für sehr elegante, zarte Blaufränkische.“ Ein weiterer Mosaikstein in der Lagenvielfalt Niederösterreichs. 

Es ist die höchste Kunst, wenn man den ganzen Firlefanz weglassen und einfach den Boden sprechen lassen kann.

Philipp Grassl, Mitglied der Österreichischen Traditionsweingüter in Carnuntum

„Alle Traditionsweingüter eint, dass sie das Bild zeigen wollen, das die Natur an einem speziellen Platz mit speziellen Menschen zeichnet. Es ist die höchste Kunst, wenn man den ganzen Firlefanz weglassen und einfach den Boden sprechen lassen kann“, findet Philipp Grassl. Lassen wir jetzt die Korken sprechen. Oder den Drehverschluss. Das war die Theorie. Viel Praxis könnt ihr euch bei allen Mitgliedern der Österreichischen Traditionsweingüter holen. Da gibt es Weine aus insgesamt 95 ÖTW.Ersten Lagen zu entdecken. Viel Spaß & gute Reise!

Logbuch Carnuntum

▷ 830 Hektar
▷ 20 ÖTW.Erste Lagen
▷ 9 Mitglieder der Österreichischen Traditionsweingüter

Wichtige Sorten: Zweigelt, Blaufränkisch

3 Lagen für einen guten Überblick
▷ Ried Rosenberg in Göttlesbrunn
▷ Ried Bärnreiser in Göttlesbrunn
▷ Ried Spitzerberg in Prellenkirchen

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