
Glänzendes auf die Bühne bringen. Das macht Alexander Syllaba im Cinema Paradiso.
Ein Geheimtipp, der in keinem St. Pölten Guide steht?
Über St. Pölten? Ein Ort oder grundsätzlich? Viel Grün, viel Natur. Auch wenn man es nicht am ersten Blick sieht. Die Nähe der Berge, sicher eine Qualität.
Was sollen Nicht-St.-Pöltner auf jeden Fall in St. Pölten machen?
Ins Cinema Paradiso gehen.
Und was sollen St. Pöltner auf jeden Fall in St. Pölten machen?
Auch ins Cinema Paradiso gehen.
Wo spürt sich St. Pölten urban an?
Im Vergleich zu vor 20 Jahren ist die Stadt sicher urbaner geworden. Es ist aber eine Kleinstadt und wird eine kleine Stadt bleiben. Die Frage ist, ob es urban sein muss, oder ob die Qualiät nicht woanders liegt – nämlich genau in der Kleinstadt mit viel Grün und urbanen Hot Spots. Nein, eine 60.000-Einwohner-Stadt – inklusive Eingemeindungen – ist keine urbane Großstadt und muss es auch nicht sein …
Wo glänzt die Stadt besonders? Sie können auch sagen: im Spiegel des Weinglases …
Das wäre vielleicht für Krems angesagt! Bei uns jedenfalls im Spiegel der Weingläser unseres Stamm-Winzers und Wegbegleiters der ersten Stunde, Markus Huber, der auch heuer schon den Hauptstadt-Wein kreiert hat. Und wir sind zur drittbesten Weinbar Österreichs gewählt worden bei den offenen Weinen! 1. Platz war ein Vier-Haubenrestaurant in Wien, dann kam Do & Co und dann schon wir … weil man bei uns offene Weine kriegt, die man sonst nicht bekommt … wo glänzt
St. Pölten am meisten … St. Pölten glänzt am meisten, wenn auf den Kulturbühnen Glänzendes angeboten wird. Es ist sicher keine Stadt, die am ersten Blick glänzt, die muss man schon irgendwie auch erkunden, zulassen, hinter die Kulissen blicken. Es ist eine ehemalige Arbeiterstadt, und das ist auch der Stolz der Stadt, das ist ihre Geschichte und Genesis. Es gibt sicher Städte, die vorder-
gründiger glänzen, aber St. Pölten hat was, das man entdecken kann. Die Nähe zu Wien ist ein Vorteil und ein Nachteil. Die Jungen gehen nach Wien … aber viele kommen auch wieder zurück, weil es eine lebenswerte Stadt ist. Die Nähe zu Wien ist aber auch ein Vorteil – du hast die Vorzüge einer Kleinstadt und du bist mit der neuen schnellen Zugverbindung in 25 Minuten im 7. Bezirk in Wien und kannst dort die Vorteile der Großstadt genießen.
Sind Sie ein St. Pöltner?
Ich bin in St. Pölten in die Schule gegangen, habe hier Matura gemacht und bin halt nie von St. Pölten losgekommen. Ich bin aus Neulengbach, das ist in der Nähe – und da war St. Pölten die nächste größere Stadt. Seit damals hat sich St. Pölten natürlich exzellent entwickelt.
Welchen Film würden Sie in St. Pölten drehen?
Der Untergang des Abendlandes (lacht) … nein, streichen wir das lieber. Was ich drehen würde? Das, was der Hader gemacht hat: Andrea lässt sich scheiden. Ist auch Drehort St. Pölten, spielt aber eher in den dörflichen Strukturen, die uns hier umgeben und maßgeblich beeinflussen. Das ist ein großartiger Film, der zeigt, wie eine Realität bei uns aussieht, und der das mit Charme und Witz erzählt. Ich würde wahrscheinlich eine kleinstädtische Komödie machen, das wäre das Verträglichste … Eine Komödie, in der Politiker vorkommen, die alle Fäden in der Hand haben und sich dann vielleicht in die Falschen von der anderen Partei verlieben …
À la Braunschlag?
Nicht ganz so theatralisch … vielleicht ein bissl liebevoller.


Der beste Film des Jahres 2024, wenn ich lachen will?
Derzeit? Wenn Sie lachen wollen: Oh la la ist sicher eine köstliche Komödie. Das Publikum liebt es! Filmisch ist es nicht unbedingt ein absolutes Meisterwerk, aber ein sehr unterhaltsamer Film.
… wenn ich Gänsehaut kriegen will?
Green Border. Ein Meisterwerk für Jahrzehnte.
… wenn ich mit meiner Familie ins Kino gehen will?
Die Schule der magischen Tiere.
Welcher St. Pöltner hat Sie zuletzt beeindruckt?
Auf alle Fälle der Musiker und Komponist Matthias Jakisic. Er arbeitet in den großen Opernhäusern Europas, im Burgtheater, in der Josefstadt. Bei unserem Film am Dom-Festival wird er live am Domplatz mit seinem Streicherquintett zu Charlie Chaplins Meisterwerk „Der Zirkus“ spielen – mit eigens von ihm komponierter Musik dafür.
Spricht man Cinema Paradiso mit „Tsch“ aus?
Es kommt nach dem Film Cinema Paradiso von Giuseppe Tornatore. Also eigentlich „Tschinema“ Paradiso. Der Bürgermeister sagt auch korrekt „Tschinema“ Paradiso. Wir haben am Anfang auch „Tschinema“ gesagt, aber dann ganz schnell auf „Sinema“ gewechselt. Weil, wenn Sie in Österreich das Telefon abheben und „Tschinema“ sagen, sagt jeder gleich „Wos??“. Also jetzt ist es „Sinema“ Paradiso. Aus dem Grund.
Die lustigste Art, wie der Name je ausgesprochen wurde?
Tschinema – wos hobns gsogt ???
Hat Sie der Film Cinema Paradiso geprägt?
Ja! Damals, als er in Österreich erstmals im Kino war, ist er nach zwei Wochen aus dem regulären Programm der Großkinos rausgefallen, weil der Film doch nicht ins Programm gepasst hat. Ich habe ihn gesehen und habe gedacht: Das gibt es doch nicht! Weil es so ein bezaubernder Film über die Essenz des Kinos ist. Und das war der Grund, das erste „Film am Dom“ gemeinsam mit Clemens Kopetzky zu organisieren. Wir beide haben dann auch das Cinema Paradiso am Rathausplatz gegründet und leiten es bis heute gemeinsam. Das erste „Film am Dom“ war vor einigen Jahrzehnten – ein Open Air Film Festival am Domplatz – und der erste Film war damals Cinema Paradiso. Wir haben das durchgeboxt mit Sponsoren bei freiem Eintritt. Ich kann mich noch erinnern, damals hat es noch geheißen, das geht nicht. So spät am Abend und dann noch europäische Filme, das wird nicht funktionieren. Und dann hatten wir vier Hochsommertage und das Konzept ist aufgegangen. Es waren einige Tausend Menschen auf dem Domplatz. Das war die Initialzündung. Das Ziel war immer, ein eigenes Programmkino zu etablieren. In St. Pölten. In der Innenstadt. Film am Dom hat sich dann jährlich wiederholt – und ist hier eine Kult-Veranstaltung geworden über die Jahre. Da sind in vier Tagen dann irgendwann über 10.000 Leute gekommen. Im alten C2 Kino haben wir damals schon Filme in Spätvorstellungen gespielt, die sonst nicht gezeigt wurden. Am Stadtrand hat irgendwann das große Multiplexx-Kino aufgesperrt und die zwei kleinen Kinos in der Stadt haben zugesperrt. Und dann ist das hier leer gestanden und wir haben uns jahrelang engagiert, dass es ein Programmkino wird. Das war nicht so einfach. Da, schauen Sie! Da hinten hängt noch ein Relikt aus der Zeit, eine Seite aus der Zeitung: „Pornokino oder Programmkino?“ Da hat sogar die Kronen Zeitung darüber geschrieben. Ja, das war ein langer Kampf, der schon auch lustig war. Nach Jahren ist es uns gelungen. In Wien hat man nur gesagt: In St. Pölten ein modernes Programmkino? Und das am totesten Eck der Stadt? Das war der Rathausplatz nämlich damals. Da war nix. Viele haben gesagt, die sperren nach einem Jahr wieder zu. Und das Gegenteil war der Fall. Das Konzept war immer: Tägliches Kinoprogramm und daneben andere Kunstformen. Konzerte. Lesungen. Verschiedenste Live-Veranstaltungen.
Mehr als Kino – sagt der Claim …
Genau. Es funktioniert auch, weil Leute in eine Lesung kommen, die vielleicht zehn Jahre nicht in einem Film waren – und gehen daraufhin wieder ins Kino. Oder vice versa. Und es funktioniert auch, dass in derselben Veranstaltung 18-Jährige neben 80-Jährigen sitzen. Das ist sehr selten in der Kulturbranche.
Der erste Kinofilm, an den Sie sich bewusst erinnern?
Louis de Funès. Das war in den Lichtspielen in Neulengbach, einem riesigen Einsaal-Kino. Da habe ich Kinogehen gelernt. Das Problem war nur, dass der Schulwart gleichzeitig den Saaleinlass gemacht hat. Wenn dann Altersbeschränkungen waren, hat der gewusst, dass wir sicher noch keine 14 waren. An Louis de Funès kann ich mich erinnern und an Die Flucht von Alcatraz, das war wirklich ein sehr eindrücklicher Film für mich. Und dann habe ich dort gesehen, was zu sehen war und heute Kino-Geschichte ist. Platoon … Danach habe ich beschlossen, nicht zum Bundesheer zu gehen. Auch das kann Kino. Woran ich mich auch noch erinnern kann: Am 26. Dezember hat es immer Ben Hur gegeben. Der Saal war voll, 300 Leute sind von der Kirche zum Kino gepilgert und haben sich gemeinsam Ben Hur angeschaut. Und in der ersten Reihe ist der Pfarrer gesessen. Jahrelang. Da durften wir auch schon sehr jung ins Kino gehen und uns das ansehen.
Gibt es das Kino in Neulengbach noch?
Nein. Da ist jetzt das Feuerwehrhaus. Die Besitzerin des Kinos ist damals in Pension gegangen und hätte es um einen Schilling der Gemeinde angeboten. Aber da war die Zeit nicht reif dafür, dass man das erkannt hätte, dass das wichtig wäre. Nein, das war die Zeit nicht, das kann man niemandem vor-werfen.
Drei Film-Klassiker, die jeder gesehen haben muss
Cinema Paradiso. Schindlers Liste. Apocalypse Now.
Popcorn oder Sportgummi?
Sportgummi.
Warum soll man ins Kino gehen, auf der Couch ist es doch gemütlicher …
Aber fader! Und einsam! Im Kino gibt es das Gemeinschaftserlebnis. Gemeinsam lachen und weinen – das ist unschlagbar. Und dann diese Emotionen bei einem Achtel oder Kaffee austauschen, das ist noch besser. Es ist ganz wichtig, dass es Orte gibt, an denen sich Menschen austauschen können, sich begegnen können, lachen, streiten, diskutieren. Das wird immer wichtiger, sonst sind wir alle nur mehr in unseren digitalen Blasen und bewegen uns nur mehr dort, wo jeder dem anderen Recht gibt. Hier gibt es einen Austausch. Das ist Kino.
Gehen Leute noch zum Schmusen ins Kino?
Ja! Man sieht es manchmal … sie werden jünger. Wir waren älter, als wir das erste Mal im Kino geschmust haben … aber vielleicht ist das auch nur Verklärung und wir waren auch so jung. Der Peter Turrini, ein guter Freund, auch des Hauses, hat mir einmal erzählt, dass es in einem Kärntner Kino war, in dem er sehr jung mit einem Mädchen verliebt hinging und zaghaft versucht hat, ihr Knie zu berühren.
Das schönste Kino, in dem Sie je waren?
Das Le Grand Rex in Paris. Und auch das Cinema des Cineastes in Paris, wo wir von den Kinolegenden Jeanne Moreau und Costa-Gavras den Preis für das beste Kino Europas überreicht bekamen und von einem vollen Kinosaal gefeiert wurden. Diese riesigen, alten Säle aus den 20er-, 30er-Jahren. Die sind gebaut worden für über 2.000 Leute Minimum – und die haben sich innen nicht verändert. Das waren Themenkinos. Da wurden Welten kreiert, nicht nur auf der Leinwand.
Wem geben Sie besonders gerne eine Bühne?
Allen, die etwas zu sagen haben und die
Menschen berühren.
"St. Pölten ist keine Stadt,
die auf den ersten Blick glänzt.
Die muss man schon auch
erkunden, zulassen."



Was hilft auf der Bühne?
Es gibt keine Geheimrezepte. Natürlich müssen die Künstlerinnen und Künstler ihre Kunst können. Nachdem die Musikerinnen und Musiker hier sehr nahe am Publikum sind, verhalten und spüren sie die Musik auch anders als vor 5.000 Leuten. Da gibt es direkten Kontakt zum Publikum – und da gibt es einen Austausch, der ist positiv für die Künstler und das Publikum. Simon Philipps, der Schlagzeuger von Toto, gehört wahrscheinlich zu den besten drei Schlagzeugern der Welt – auch der hat bei uns gespielt, zwei Mal schon. Der spielt auch sonst vor Tausendschaften, aber bei uns passieren dann eben Dinge auf der Bühne, aufgrund der Kleinheit der Location, die einzigartig sind. Das ist eine Motivation für die Künstlerinnen und Künstler – und genau das spürt das Publikum. Viele schauen sich Konzerte extra bei uns an, auch wenn derselbe Gig vielleicht in Wien auf einer größeren Bühne stattfindet. Im Cinema Paradiso ist es oft angenehmer, intimer, greifbarer. Die Künstlerinnen und Künstler stehen nachher an der Bar, sind offen. Da passieren Sessions, die es nur hier gibt.
Sie machen auch draußen Kino. Was ist Open Air anders?
Kino unterm Sternenhimmel. Du hast schon ein einzigartiges Erlebnis, wenn der Mond aufgeht und die Barockfassaden hier in St. Pölten beleuchtet. Das ist ein eigener Zauber. Dafür bauen wir auch eine riesige Bühne auf. Und dann sitzen hier 400 bis 450 Leute und erleben gemeinsam einen Film. Das kann schon was. Das ist Freiluft.
Welcher Wetter-App vertrauen Sie?
Gar keiner … Na, am ehesten Austro Control … Manchmal entscheiden wir aber auch erst kurz davor, ob wir eine Veranstaltung im Freien spielen. Im Zweifelsfall beginnt man nicht, weil es auch ein Sicherheitsrisiko ist. Das hat sich schon geändert in den letzten 20 Jahren. Früher hast du das schlechte Wetter hereinziehen sehen, heute geht es ganz schnell von 0 auf 100.
Wo bekomme ich den feschesten Regenmantel in St. Pölten?
In der Innenstadt gibt es einige sehr schöne Geschäfte, wo man gut shoppen kann … und ansonsten gibt es bei uns einen Gratis-Regenschutz. Der tut’s auch!
St. Pölten war olfaktorisch lange Zeit mit der Glanzstofffabrik verbunden …
Allerdings – als ich von Neulengbach mit dem Zug in die Schule gefahren bin und der Wind in die falsche Richtung geweht hat, hat es gestunken. Mit diesem historischen Image kämpft St. Pölten noch immer.
… und wonach riecht St. Pölten heute?
Wenn der Wind richtig weht, dann duftet es nach den Bergen und nach den Wäldern. Schön gesagt, oder?
Dankeschön!